Zwei Jahre unvollständig

Sonnenschein und blauer Himmel.

Vor zwei Jahren sah es draußen genauso aus wie heute.

Aber in uns drin ist es dunkel. Damals schwarz. Heute dunkelgrau.

Heute haben wir Sonnenblumen zu Samuels Grab gebracht. Hannah hat es mit Vogelfedern dekoriert. Später fuhren wir nach Bonn, um für Ben Schulstart die letzten Besorgungen zu machen.

Eigentlich dachte ich, ich würde den ganzen Tag im Bett verbringen. Schon Anfang der Woche kamen die Kopfschmerzen zurück, die ich monatelang vergessen durfte. Gestern stand ich den ganzen Tag neben mir. Betäubt. Nicht fähig zu denken. Zu schwach, meine Arme zu heben.

Gestern vor zwei Jahren war die OP, dann die Infektion. Ich saß an seinem Bett und hielt seine Hand. Einen Tag später hat er sich verabschiedet. Er ist davongeflogen, mein kleiner Vogel.

In diesen Tag denke ich nicht an den Himmel. Ich habe ständig unseren Abschied vor Augen. Morgen werde ich mich wieder freuen können, dass mein kleiner Samuel gesund und glücklich an der Hand Jesu herumhüpft. Aber nicht heute.

Gestern war so ein mieser Tag. Ich hab ihn irgendwie hinter mich gebracht. Sollte ich mich in diesem Zustand meiner Familie einen weiteren Tag zumuten? Das wollte ich nicht. Deshalb fuhren wir nach Bonn. Wir hatten Spaß und haben gelacht. Ja, das geht wirklich. Auch heute. Nur nicht ohne Traurigkeit.

Aber die Kopfschmerzen erinnern mich an den Schmerz meines Herzens. Als bräuchte ich eine Erinnerung daran!

Nein, wir sind nicht darüber hinweggekommen. Das werden wir nie. Das wollen wir nicht. Solange ich ihn liebe, wird es wehtun, ohne ihn zu sein. Immer.

 

Wie es uns geht? – Gut. Ja, meistens stimmt das. Wir sind glücklich. Wir sind dankbar. Wir können aus voller Kehle lachen.

Aber manchmal weinen wir. Manchmal heule ich. Manchmal ist mir nach Schreien!

Denn wir sind unvollständig. Seit zwei Jahren unvollständig. Und das tut so weh! Es wird nicht besser, denn es ändert sich ja nicht.

 

Warum ich schreibe? – Weil sonst niemand wüsste, wie es uns wirklich geht. Denn sagen tu ich es nur selten. Nur bestimmten Menschen. Und auch nur, wenn sie fragen. Deshalb schreibe ich. Da kann ich ehrlich sein.

 

Und zum Schluss: Was ich schon immer mal sagen wollte:

Vergesst ihn nicht, unseren Samuel!

Sagt nie, dass wir drei Kinder haben, denn es sind vier. Wir haben VIER Kinder!!

Und sagt seinen Namen, mit einem Lächeln.

4 thoughts on “Zwei Jahre unvollständig

    • Liebe Regina,

      ich bin „zufällig“ heute auf Deine Seiten gestossen, als ich das Lied „Wir beten für Segen“ von Veronika Lohmer ausdrucken wollte.
      Wie gut ich Deine Empfindungen vom 1.8.15 verstehe !
      Diese Herzensschreie und den Schmerz, wie gut ich das kenne !
      Wir haben vor 19 Jahren unseren Josua , als dritten Sohn, gleich nach der Geburt zurück in Gottes Arme geben müssen. Er war mit Anenzephalie geboren. Wir wussten das.
      Wir glaubten für ein Wunder.
      Und doch hat unser Vater im Himmel ihn zu sich geholt.
      Wir bereiten gerade unsren 50.ten Geburtstag vor. Ich und mein Mann Martin.
      Vorhin sagte ich zu zu ihm, weißt Du, der Psalm 23, das ist „unser“ Psalm.
      Der HERR ist mein Hirte,…..nie hatten wir Mangel,…durchs Todestal ging er mit uns ….und wir werden in seinem Hause bleiben – für immer !! Für immer !!
      Für immer – mit Jesus – für immer mit Josua.
      „Für immer “ das steht auf Josuas Grabstein.
      Mir ist der Himmel sehr nahe gerückt,…seit damals.
      Das Buch „den Himmel gibt es echt“ – das ich letztes Jahr in die Finger bekam – hat mich sehr berührt. Sie warten auf uns . Samuel und Josua, und die vielen Anderen.
      Wir haben sie nicht verloren.
      Mich hat es in den ersten Jahren sehr getröstet, dass ich keine Erklärung haben muss.
      Nein, es gibt Dinge im Leben, da gibt es keine Erklärung.
      Ich wusste aber : ER versteht es, wenn ich IHN nicht verstehe.
      Auch ich habe lang getrauert. Jonathan und Gideon waren 7 und 8 Jahre alt, als ihr Brüderchen starb. Es war nicht einfach für sie. Aber sie haben damals gesagt : Mama wein doch nicht so,…wir spielen dann eben später mit ihm Fussball,..dann, wenn wir wieder zusammen sind !
      Da haben wir alle gelacht. So einfach ist das,…für Kinder.
      Nicht ganz ein Jahr später durften sie ein weiteres Brüderchen willkommen heissen :
      Samuel ! Gott hört .
      ER hat mich gehört, und ER hört auch Dich, liebe Regina.
      ER wird auf Deinen Glauben und Dein “ dennoch festhalten an IHM“ reagieren !
      Heute weiss ich, das dieser „wertvolle Glaube“ , von dem die Bibel spricht, dieser „Dennoch Glaube“ ist.
      Für uns war und ist Josua weiterhin ein Kind des Segens.
      Er ist uns nur vorraus gegangen.
      Unsre Kinder gehören dem Herrn,..wie schnell gehen diese Worte uns von den Lippen.
      Und wie schnell kann dies Wirklichkeit werden.
      Josua hat das Ziel erreicht. Das macht mich heute glücklich.
      Ich hab schon ein Kind beim Vater !
      Sicher behütet !
      Unser Samuel ist jetzt 18 und muss nicht „im Schatten seines Bruders leben“.
      Nein, er lebt und ist ein fröhlicher junger Mann der Jesus liebt.
      Alle unsre Söhne lieben Jesus. Gibt es ein größeres Geschenk ?
      Auch wenn hin und wieder, besonders an Josuas Geburtstag, die Wehmut zurück kommt, muss ich sagen :
      Der Vater im Himmel hat uns wunderbar getröstet und es tut – den Rest vom Jahr -nicht mehr weh .
      Ja, der Schmwerz vergeht tatsächlich mit den Jahren.
      Aber nur, wenn wir den Tröster an uns heran lassen.
      Ich hätte noch viel zu erzählen, doch ich möchte Dir Mut machen :
      Alles hat seine Zeit : das Weinen und das Lachen.
      Und Jesus ist immer mitten dabei. ER hat es versprochen.
      Eines Tages wird die Zeit, die wir hier auf der Erde so geweint haben, vergessen sein.
      Dann wird Jesus für immer unsre Tränen trocknen.
      Dann werden Samuel und Josua mit uns hüpfen und springen vor Freude.
      Auf diesen Tag freu ich mich sehr !
      Sei gesegnet und ganz lieb gedrückt,
      Sigrid Dörr , Brensbach im Odenwlad

      • Liebe Sigrid,
        wie gern ich dich jetzt umarmen würde! Deine Worte berühren mich ganz tief und ich fühle mich mit dir verbunden, obwohl wir uns gar nicht kennen. Dein Festhalten an Gott ist erbauend. Und es tut auch gut, die Geschichte einer Mutter zu lesen, die schon „einige Jahre weiter ist“.
        Auch Samuels kleine Schwester ist ein ganz eigenes Persönchen. Unsere Kinder nehmen ihren kleinen Bruder im Himmel mit so viel Freude an. Diese Leichtigkeit steckt uns an. Und ja es stimmt: Wir haben unsere Jungs nicht verloren. Das ist so so tröstend. Sie sind bei Jesus!! Ganz sicher und geborgen. Ich kann mich wirklich für ihn freuen. Nur an manchen Tagen ist es immer noch schwer. Und dann schau ich wieder zum Himmel und lächle.
        Ganz liebe Grüße und Segenswünsche für deine Familie,
        Regina

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