Als Kind hatte ich Angst vor behinderten Menschen. Auf meinem Schulweg fuhr ich immer an einem Heim vorbei und hin und wieder stieg eine Gruppe behinderter Menschen in meinen Bus. Ich fühlte mich sehr unwohl und wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte.
Freundinnen von mir haben einen behinderten Bruder, der inzwischen erwachsen ist. Ich habe mich immer gefragt, wie die Mutter es schafft, sich um ihn zu kümmern.
Wenn ich in der Stadt ein behindertes Kind im Rollstuhl gesehen habe, empfand ich direkt Mitleid für das Kind und seine Familie.
Und irgendwo war da immer die Angst, selbst mal ein behindertes Kind zu bekommen. Ich bin aber jemand, der sich die schlimmsten Situationen vorstellt, daher versuche ich, solche Gedanken direkt beiseite zu schieben.
Als uns mitgeteilt wurde, dass unser ungeborenes Kind möglicherweise eine geistige Behinderung haben wird, war das ein Schock. Ich stelle mir zwar alle möglichen Horrorszenarien vor, aber ich rechne doch nicht damit, dass sie Wirklichkeit werden! Diese Nachricht war sehr schmerzhaft. Ich bekam Angst davor, dass ich es nicht schaffen würde, mich um mein Kind zu kümmern. Und es tat auch echt weh einzusehen, dass der Sommer, wie wir ihn uns vorgestellt haben, und unser weiteres Leben nicht so verlaufen würde wie in unseren Träumen.
Doch irgendwann änderten sich diese Gedanken. Das war an dem Punkt, an dem wir erkannten, dass das Leben unseres Babys auf dem Spiel steht.
Ich habe mir ein Interview eines Paares angesehen, das ihre vierte Tochter 2,5 Stunden nach der Geburt verloren hat. Während der Schwangerschaft äußerten die Ärzte zunächst den Verdacht auf Down-Syndrom und das Pärchen betete: „Bitte, Gott, lass es kein Down-Syndrom sein! Kein Down-Syndrom!“ Doch als die Ärzte ihnen sagten, dass ihr Kind womöglich nur wenige Minuten lebensfähig sein würde, flehten sie: „Bitte, Herr, lass es Down-Syndrom sein!“
Plötzlich zählt nur noch das Leben unseres Kindes.
Mir ist in dem Augenblick, in dem sich mein Blickwinkel geändert hat, neu bewusst geworden, was für ein Geschenk ein Kind ist. Was für ein Wunder! Und wir dürfen Teil dieses Wunders sein.
Samuel ist nicht unser behindertes Kind. Samuel ist unser Sohn und in unseren Augen ist er perfekt. Seine Zeigefinger, die immer auf dem Mittelfinger liegen, finde ich einfach nur süß! Und seine kurzen großen Zehen sind genauso schön geformt wie die restlichen auch.
Ich gebe zu, dass in der Hoffnung, dass wir ihn noch mehrere Jahre bei uns haben, auch ein wenig Bangen mitschwingt, wie sich unser Leben dadurch verändern würde. Ich kann die Angst, die hinter Sätzen wie: „Ich bin erst 25. Ich kann doch kein behindertes Kind bekommen!“ nachvollziehen. Und wir können uns auch noch gar nicht Eltern eines behinderten Kindes nennen, weil wir noch nichts von seiner geistigen Behinderung mitbekommen haben. Aber ich empfinde jetzt ganz anders, wenn ich einen behinderten Menschen sehe. Ich glaube wirklich und habe auch von anderen gehört, dass wer sich auf dieses Wunder anderer Art einlässt, die wahre Bedeutung von Lebensqualität begreifen wird.
Behinderte Menschen passen nicht in die Vorstellung einer idealen Welt der meisten Menschen. Doch uns würde ohne sie etwas fehlen. Sie bereichern uns – durch das, wer sie sind und durch das, wer wir durch sie werden. Denn sie sind keine Fehler. Sie sind perfekte Geschöpfe Gottes.
Warum schreibe ich das alles eigentlich? – Ich wünsche mir, dass auch viele Menschen ohne ein behindertes Kind dieses Wunder erkennen können. Und wenn sie dann so ein Wunder vor Augen haben, sollen sie kein Mitleid empfinden, sondern Freude über Gottes einmalige Schöpfung! Ich möchte nicht, dass man in mir die Mutter eines kranken Kindes sieht und schon gar nicht soll man Samuel bemitleiden oder Angst vor ihm haben. Wer Samuel sieht soll überwältigt sein von Gottes Liebe und daran erinnert werden, wie WUNDERbar das Leben ist.
Er ist so wunderschön und ein wunderbares Geschenk Gottes!
Wünsche euch viel Kraft, Hoffnung, Zuversicht, Freude und tiefen Frieden!
Kathy
Ja, ich hab immer wieder gestaunt, wie schön Gott unseren Samuel gemacht hat.
Liebe Regina, lieber Alex!
2. Korinther 4,6-9;16-18 möchte ich Euch als Ehepaar und auch als Familie für die nächste Zeit mitgeben:
„Denn so wie Gott einmal befahl: „Es werde Licht!“, so hat er auch die Finsternis in uns durch sein helles Evangelium vertrieben. Durch uns sollen alle Menschen Gottes Herrlichkeit erkennen, die in Jesus Christus sichtbar wird. Diesen kostbaren Schatz tragen wir allerdings in einem zerbrechlichen Gefäß. Denn so wird jeder erkennen, dass die außerordentliche Kraft, die in uns wirkt, von Gott kommt und nicht von uns selbst. Denn obwohl uns die Schwirigkeiten von allen Seiten bedrängen, lassen wir uns nicht von ihnen überwältigen. Wir sind oft ratlos, aber nie verzweifelt. Von Menschen werden wir verfolgt, aber bei Gott finden wir Zuflucht. Wir werden zu Boden geschlagen, aber wir kommen dabei nicht um. (…) Darum geben wir auch nicht auf. Freilich gehen diese Strapazen nicht spurlos an mir vorüber. Wenn auch meine körperlichen Kräfte nachlassen, wird doch das Leben, das Gott mir schenkt, von Tag zu Tag erneuert. Was wir jetzt leiden müssen, dauert nicht lange und ist leicht zu ertragen, wenn wir bedenken, welch unendliche, unvorstellbare Herrlichkeit uns erwartet. Deshalb lassen wir uns von dem, was uns zurzeit so sichtbar bedrängt, nicht ablenken, sondern wir richten unseren Blick auf Gottes neue Welt, auch wenn sie noch unsichtbar ist. Denn das Sichtbare vergeht, doch das Unsichtbare bleibt ewig.“
Ich wünsche Euch von ganzem Herzen, dass Gottes Herrlichkeit in Euch arbeiten darf. Gott macht keine Fehler und deshalb hat er gerade Euch dieses kleine Wunder Samuel überlassen. In Samuel kommt seine große Liebe zu Euch zum Vorschein.
Ihr seid reich Beschenkte.
In liebervoller Umarmung
Uschi
Ach Uschi…
danke für diesen wundervollen Text. Er spricht mich an so vielen Punkten an. Zum einen weißt du ja, wie ich eigentlich bin – unsicher, extrem sensibel… Aber Gottes Kraft in mir zu spüren, zeigt, was für einen großen Gott ich habe 🙂
Ja, und die Herrlichkeit wartet auf uns. Wie sehr ich mich auf den Himmel freue! Aber mein Auftrag ist scheinbar noch nicht ausgeführt. Ich muss noch warten.
Danke, dass du auf Samuels Beerdigung warst. Das hat mir viel bedeutet!
Deine Regina
Hallo Regina und Alex,
wir wünschen euch viel Kraft und das ständige Wissen über Gottes Gewenwart in eurem Leben. Ich bete darum dass vor allem du Regina wieder zu Kräften kommst und die Anstrengungen des jetzigen Alltags bewältigen kannst. Nach einer Schwangerschaft und der Entbindung ist der Körper einfach geschwächt, dass kann ich aus Erfahrung sagen. Unsere kleine Nele ist jetzt drei Monate alt. Sie hat Tresomie 21. Wir können zu einem kleinen Teil mitfühlen, wie anstrengend die täglichen Fahrten ins Krankenhaus sind, aber auch wie groß die Freude ist sein Kind immer wieder zu sehen. Unsere guter Gott beschenkt uns. Mit ihm bleibt das Leben spanend.
Ganz liebe Grüße von der Familie Wölk
Ihr Lieben,
vielen Dank für eure Worte! Es ist so schön, dass ihr eure Nele auch als Geschenk seht und Gottes Weg annehmt. Er mag schwerer sein, aber nicht weniger schön!