Tag 8
Samuel war eine Woche alt. Ich hab mich am Morgen so darüber gefreut, seinen „Geburtstag“ zu feiern. Ich ging nach dem Frühstück auf die NIPS und ein Arzt sagte mir im Vorbeigehen, dass er gleich zu mir kommen würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, was er mir sagen wollte, denn über den aktuellen Zustand unsres Jungen klärt uns immer die zuständige Schwester auf.
Schließlich kam er und sagte mir, dass sie schon in der Nacht eine Infektion bei Samuel vermutet hatten und das hatte sich bestätigt. Er bekam bereits Antibiotika und man ließ ihn so viel wie möglich in Ruhe liegen. Es brauchte ein wenig, bis ich verstand, was los war. Irgendwann fing ich an zu weinen und eine Schwester versuchte, mich zu beruhigen. Ich blieb bei ihm sitzen, legte meine Hand auf ihn und versuchte, mir nicht zu viele Sorgen zu machen. Das war schwer, wenn ich mir ansah, was er alles brauchte, um am Leben gehalten zu werden. Teilweise liefen 8 Infusionen gleichzeitig. Dennoch bin ich dankbar für die heutigen Möglichkeiten.
Als ich am Nachmittag wieder zu ihm kam, stand gerade einer der Oberärzte vor seinem Bett. „Ja, Frau Neufeld, sieht schlechter aus heute.“ Dieser Satz und sein Blick nahmen mir alle Hoffnung. Samuels Herz ging es schlechter und diese Infektion belastete es natürlich zusätzlich. Außerdem brauchte er nun nicht nur eine Atemunterstützung, sondern auch Sauerstoff. Ich war richtig fertig. Die Ärzte bereiteten alles vor, um Samuel einen Herzkatheter zu legen. Ich musste raus. Es hieß, es würde 20-30 min dauern, plus Zeit zum Röntgen. Dann würden man mich anrufen.
Ich rief Alex an, der unsere großen Kinder spontan bei unseren Nachbarn unterbringen konnte und direkt zu mir kam. Erstaunlicherweise war ich während dieser ganzen Zeit allein in meinem Viererzimmer. Alex und ich hielten uns fest und warteten. Anfangs war keiner von uns in der Lage, ein lautes Gebet zu sprechen, doch irgendwann gelang es Alex.
Wir warteten. Als die erste Stunde vergangen war, fingen wir an, mit dem Schlimmsten zu rechnen. Waren wir bereit, Samuel schon gehen zu lassen? Nach nur einer Woche? Die Minuten schlichen nur so dahin. Ich sagte: „Vielleicht wird ja doch noch alles gut.“ Und Alex: „Das auf jeden Fall, was auch passiert!“
Es hat fast zwei Stunden gedauert, bis wir den ersehnten Anruf bekamen. Alles sei in Ordnung. Hat etwas länger gedauert. In 20 min könnten wir zu ihm. Diese zwei Stunden gehören zu den bisher schwersten in unserem Leben.
Als wir zu Samuel kamen, schlief er. Er war so blass. Aber er atmete und sein Herz schlug.
Aus meinem Tagebuch – 16.06.2013
„So viele Bitten… Herr, was hast du vor? Wo führt dein Weg uns hin? Danke für die Gewissheit, dass du weißt, was du tust und alle Dinge überwachst und das Beste im Sinn hast für deine Menschen. Ich wüsste nur zu gern, wie das aussieht.“
„Ich habe wirklich gedacht, du würdest Samuel nach einer Woche wieder zu dir nehmen. Bin ich bereit, ihn herzugeben? Ich will zu allem bereit sein, was du willst. Herr, aber bitte lass nicht zu, dass unser Baby Qualen leidet. Wenn du ihn zu dir nehmen möchtest, dann tu‘ es bitte sanft. Aber viel mehr wünsche ich mir, dass er sich schnell erholt und nicht mehr viel an ihm gemacht werden muss. Bitte wache du über ihn!“