Unser Senkrechtstarter

Tag 51

Unser Samuel hat im Krankenhaus einen tollen neuen Spitznamen bekommen: Senkrechtstarter. Seine Fortschritte seit der letzten Woche waren so unglaublich, dass sogar die Ärzte nur staunten. Als uns nach der Diagnose erklärt wurde, wie schlecht die Aussichten für Samuel sind, habe ich zu Regina gesagt: Die haben doch keine Ahnung, wie viel für Samuel gebetet wird! Und wir erleben das Wunder wirklich. Wir sind einfach nur begeistert und dankbar. Samuel atmet ohne Unterstützung nur mit einer sehr geringen Sauerstoffzugabe, er wiegt über 2100g (!!) und hat keine Infusionen mehr laufen! Mit anderen Worten: Die Voraussetzungen für das nach Hause kommen sind erfüllt! Irgendwann nächste Woche wird es soweit sein…unser Samuel darf zu seiner Familie.

Ein oder zwei Hürden gibt es allerdings noch. Am Mittwoch wird eine kleine Op an der Leiste durchgeführt. Das bedeutet wieder Narkose und Beatmung, aber wir trauen es Gott und unserem kleinen Mann zu, dass alles glatt läuft und es bei unserem Plan bleibt. Außerdem warten wir noch auf die Zusage eines Pflegedienstes, der uns zu Hause bei der Betreuung von Samuel unterstützt.

Sicher wird es eine neue Herausforderung, wenn Samuel nach Hause kommt, aber unser großes Ziel wäre erreicht: Wir dürfen Zeit als vollständige Familie verbringen!

 

Vielen Dank an Julia für unsere Familienfotos!

Leben mit Trisomie 18

Vor ein paar Tagen habe ich mir mal wieder im Internet ein paar Erfahrungen anderer Eltern von Kindern mit Trisomie 18 durchgelesen. Es hat mir den Schlaf geraubt! Ich war schockiert, was Frauen- und Kinderärzte so von sich geben! Mein neues Unwort des Jahres ist „wegmachen“. Sobald die Diagnose Trisomie 18 vor der Geburt feststeht, ist das der Rat. Schließlich sei das Kind eh nicht lebensfähig.

Wir haben die Diagnose erst ca 10 Tage nach der Geburt bekommen und sind somit nicht gefragt worden, ob wir unser Baby bekommen wollen. Andere müssen sich erst entscheiden und ihre Entscheidung teilweise richtig verteidigen. Warum? Wer entscheidet, welches Leben gelebt werden darf und welches nicht?

Wir hätten vermutlich auch den Rat bekommen, unser Kind „wegmachen zu lassen“. Aber guckt ihn euch an! Er genießt die Zeit mit uns und wir genießen die Zeit mit ihm. Und sobald seine Zeit hier vorbei ist, darf er wieder zu seinem Schöpfer zurück.

Man kann natürlich unterscheiden, wie stark innere Organe beeinträchtigt sind. Samuel hat ja „fast nur“ einen Herzfehler; viele Babys mit Trisomie 18 sterben tatsächlich noch vor der Geburt oder kurz danach. Aber wie viele, die das Leben wie Samuel hätten erleben können, hatten nicht die Chance dazu? Sie konnten nie ihre Eltern kennenlernen und umgekehrt. Und das, weil die durchschnittliche Lebenserwartung sehr gering ist.

Aber unsere Erfahrung zeigt: Es gibt Wunder! Es gibt ein Leben mit Trisomie 18!

Die erste Mini-Op

Tag 31

Samuel hat seinen ersten Eingriff gut überstanden. Seine Werte haben sich noch während der Op so stabilisiert, dass ein möglicher weiterer Schritt nicht mehr nötig gewesen ist.

Jetzt liegt er friedlich in seinem neuen Zimmer und schläft. Das wird evtl auch noch ein paar Tage so bleiben, was bei seinem Gewicht aber wohl normal ist. So lange muss er auch noch beatmet werden…aber zumindest hat er keine Maske auf und man sieht ihn besser! 🙂 Seine Werte sind stabil und besser als vorher, wie viel der Eingriff wirklich gebracht hat, wird sich aber erst in den nächsten Tagen zeigen.

Wir sind erstmal glücklich und dankbar, dass unser kleiner Kämpfer alles gut überstanden hat und erstmal wieder in Ruhe gelassen werden kann. Vielen Dank an alle, die an ihn gedacht haben!

 

Samuels erster „Geburtstag“

Heute ist Samuel einen Monat alt! Wenn ich jemandem von ihm und seiner Krankheit erzähle, sage ich dankbar dazu, dass er die durchschnittliche Lebenserwartung eines Kindes mit seinem Gendefekt jetzt schon übertroffen hat. Wir haben ihm zur Feier des Tages einen Luftballon mitgebracht, den wir an seinem Inkubator befestigen durften.

Nachdem sich Samuels Zustand in den letzten Tagen nicht so gut entwickelt hat, stand heute ein Gespräch mit den Kardiologen über die weitere Behandlung an. Das Ziel ist es zur Zeit, ein Medikament mit starken Nebenwirkungen absetzen zu können, das ihm das Atmen schwer macht. Wir dachten allerdings, dass schon alles geklärt war und waren dementsprechend nervös. Wir wussten nicht genau, worum es in dem Gespräch geht…bisher waren von den Ärzten einberufene Treffen nie besonders positiv.

Diese Angst war glücklicherweise ungerechtfertigt. Als wir zu Samuel kamen, ging es ihm recht gut und die Kardiologen hatten nur einen neuen Vorschlag für die weitere Therapie. Sie schlugen einen kleineren Eingriff vor, der das starke Medikament unnötig machen und gleichzeitig zwei der Probleme am Herzen zumindest teilweise beheben könnte. Natürlich ist auch dieser Eingriff über einen Herzkatheter bei einem Baby wie unserem Samuel mit ca. 1600g – ja, stolze 1620g inzwischen 🙂 – nicht ohne Risiko. Aber immerhin bietet sich hier die Möglichkeit, in absehbarer Zeit von den intravenösen Medikamenten wegzukommen, was eine Voraussetzung ist, damit Samuel nach Hause darf. Und das, ohne dass er die Schmerzen einer größeren Operation ertragen muss.

So haben wir dem Vorhaben zugestimmt und sind jetzt sehr gespannt, wie der Eingriff morgen verläuft und ob er die gewünschten Folgen hat. Natürlich haben wir auch Angst, dass irgendetwas schief läuft…aber wir denken, dass das jetzt der richtige Schritt ist und bitten Gott, dass er dabei seine Hand über unseren kleinen Schatz hält und ihn bewahrt – vor Komplikationen während des Eingriffs, aber auch vor Schmerzen und unnötigem Leid. Wir sind dankbar für jeden, der uns bei diesem Gebet unterstützt!

Unser neuer Alltag

Wie viel ein kleines Kind verändert, weiß jeder, der in dieser schönen Situation war. Allerdings schmeißt das dritte Kind normalerweise nicht noch einmal alles über den Haufen…aber was ist schon normal. So klein unser Samuel auch ist, er hat große Auswirkungen auf unseren Alltag und unser ganzes Leben.

Jeden Abend wird der nächste Tag geplant…weiter trauen wir uns kaum zu denken, weil es sonst zu kompliziert wird. Wer fährt vormittags ins Krankenhaus, wer darf nachmittags mit Samuel kuscheln? Wir wollen natürlich so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen. Der andere schmeißt den Haushalt und unterhält Ben und Hannah. Bei alldem liegt es uns besonders am Herzen, unsere großen Kinder nicht zu vernachlässigen. Sie brauchen uns in dieser Situation besonders, und zwar möglichst beide. Sie brauchen Ruhe zu Hause und Aktion unterwegs.

Dadurch dass ich gerade mein Studium abgeschlossen habe, sind wir beide „zu Hause“ und können den Alltag gemeinsam bewältigen. Es ist nicht einfach, Schlaf ist eher Luxus (das kennen ja alle Eltern 😉 ), aber unsere tollen Kinder erheitern uns so häufig durch ihre fröhliche Art. Und unser kleiner Samuel entschädigt unsere Mühe allein durch sein Leben, das an sich ja schon ein Wunder ist.

 

Aus Reginas Tagebuch – 06.07.2013

„Es ist so merkwürdig, hier in Bonn zu sein, durch die Fußgängerzone zu laufen, im Starbucks zu sitzen. Alles läuft ganz normal weiter, während sich für uns alles geändert hat. Ich habe das Gefühl, ich nehme jetzt alles ganz anders wahr. Dinge haben an Bedeutung verloren, andere an Wert gewonnen.

…Schenk mir einen Blick für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Das Leben ist so kurz, so zerbrechlich. Es muss schrecklich sein, sein Leben einfach so dahin zu leben, ohne zu wissen wofür, wohin. Ich verschwende immer noch zu viel Zeit mit Bequemlichkeit, aber ich habe ein Ziel. Danke dafür!“

Unsere Wünsche vs. Gottes Pläne

Es gibt ein christliches Lied, das mich in dieser schwierigen Phase sehr berührt und neu herausgefordert hat. Ich kenne es schon lange, allerdings hat sich mir der Inhalt plötzlich ganz neu erschlossen.

„Herr, wenn der Wunsch in meinem Herzen,
sich still in deinen Willen legt.
Dann fühle ich trotz aller Schmerzen,
dass deine Liebe mich umhegt.
Du lässt mich in die Tiefe gehen,
damit ich sehe, wer ich bin.
Doch Herr, du lässt mich nicht dort stehen-
du ziehst mich wieder zu dir hin.
Ja, Herr, du bist bei mir und dafür dank ich dir.
Ja, Herr, du bist da – Halleluja!“

Ich habe den starken und eindeutigen Wunsch, dass unser Samuel gesund wird, dass er nach Hause kommt und dass wir ein glückliches Leben als Familie haben. Doch ist das auch Gottes Wille? Scheinbar nicht…Gottes Pläne sehen anders aus. Und genau um diese Situation geht es in diesem Lied. Keine Ahnung, was Gott mit unserem Jungen vorhat, aber mein Wunsch stellt sich unter Gottes Willen, denn ich weiß: Selbst wenn Gott uns jetzt diese Schmerzen zumutet – er lässt uns nicht damit allein, er richtet uns wieder auf und ist immer bei uns. Und ich weiß: Er liebt Samuel noch mehr als ich. Also werden seine Pläne ganz sicher für uns alle das Beste sein.